Einmal im Jahr setzen der Freund und ich uns ins Auto und fahren in den Harz. Seit wir ein Paar sind, haben wir ein Lieblingsritual: Einmal im Jahr wandern wir zu zweit auf den Brocken – den höchsten Berg Norddeutschlands.
Man könnte ja grundsätzlich meinen, das wird irgendwann einmal langweilig, doch ich für meinen Teil kann behaupten, dass bisher jede Wanderung anders, einzigartig und auf ihre Weise sehr speziell war. Was sie außerdem noch eint: Jeder Aufstieg hat sich fest in mein Gedächtnis eingebrannt und wird dort wohl für immer einen Platz haben.
Ganz große Brockenliebe
Während wir beim ersten Mal vor lauter Nebel die eigene Hand kaum vor Augen sehen konnten, wurden wir beim zweiten Mal beim Abstieg von der Nacht überrascht. Dafür gab es zuvor aber perfekte Weitsicht und einen atemberaubenden Sonnenuntergang. Unsere dritte Brocken-Wanderung hat eigentlich das Prädikat „Expedition“ verdient – denn auf dem 1141,2 m hohen Gipfelplateau erwarteten uns Schnee, Eis und Orkanböen. Alle drei Komponenten zusammen ergeben eine Wetterlage, die definitiv nicht mein Fall ist… Ein Jahr später bewies uns der Brocken dann aber doch noch, dass er auch im winterlichen Gewand durchaus (gast-)freundlich sein kann.
Die Brocken-Wanderung im letzten Jahr war (aus meiner Sicht) die bisher schönste – auch wenn ich mit einem Handicap an den Start ging, das mich auf den letzten Kilometern echt an meine Grenzen gebracht hat. Etwa fünf Monate nach meinem Kreuzbandriss, den ich mir beim Skifahren zugezogen hatte, ging es auf eine insgesamt 20 km lange Strecke – 10 Kilometer hoch und 10 Kilometer runter.
Wanderung auf den Brocken: Vom Radauwasserfall entlang der Eckertalsperre bis zum Gipfel
Es führen nicht nur viele Wege nach Rom, sondern auch auf den Gipfel des Brockens. Während wir früher meist von Schierke aus losgewandert sind, haben wir uns im letzten Jahr für eine völlig neue Route entschieden. Wie sich herausstellen sollte: Eine sehr gute Wahl, denn die Wanderung, die ich dir nun vorstellen möchte, ist wirklich unbeschreiblich schön.
Schon der Startpunkt der Tour ist ein kleines Highlight: Wir haben unser Auto am Radauwasserfall abgestellt und diesen natürlich auch kurz bestaunt. Danach ging es aber zügig los – immerhin erwarteten uns 20 km Fußmarsch.
(Ein Foto vom Wasserfall habe ich tatsächlich nicht. Beim Start wollten wir möglichst schnell los und bei der Rückkehr am Auto war ich einfach nur erledigt und froh, mich endlich entspannen zu können.)
Vom Radauwasserfall zur Eckertalsperre
Die erste Etappe führt vom Radauwasserfall durch einen Wald hoch zur Eckertalsperre. Hier kannst du nicht nur eine phänomenale Aussicht genießen, sondern auch die ehemalige innerdeutsche Grenze passieren. Entlang des Stausees verläuft ein malerischer Weg, der das Wandern wirklich zum Genuss macht. Gleichermaßen motivierend und respekteinflößend: Der Gipfel des Brockens, den du von hier aus in einiger Entfernung gut sehen kannst.
Von der Eckertalsperre bis zum Hirtenstieg
Weiter geht es durch unterschiedliche Landschaften. Mal führt der Wanderweg durch schattige Wäldchen, mal über ausgetrocknete Wiesen. Einmal passieren wir sogar eine alte Ruine, die wir auf dem Rückweg inspiziert haben. Die Abwechslung bietet nicht nur jede Menge Fotomotive, sondern sorgt auch dafür, dass die Wanderung zu keiner Zeit langweilig wird.
Auch die Kondition wird auf diesem Abschnitt der Strecke nur wenig beansprucht. Es geht die meiste Zeit gerade aus und die paar Höhenmeter, die hier absolviert werden, sind nur vage in den Beinen zu spüren.
Vom Hirtenstieg bis zum Brocken-Gipfel
Das ändert sich jedoch schlagartig, wenn du den sogenannten Hirtenstieg (ehemaliger Kolonnenweg) betrittst. Ab hier beginnt der eigentliche Brocken-Aufstieg – laut dieser Quelle 500 Höhenmeter auf einer Gesamtstrecke von 4 km. Klingt machbar und ist es auch – doch durch die scheinbar endlos lang aneinander gereihten Betonplatten, über die früher mal schweres NVA-Geschütz gerollt ist, zieht sich der Weg äußerst fies. Ich sag‘ mal so: Ich war mir selten so sicher wie auf diesem Weg, Waden zu besitzen. Es brennt einfach wie Feuer…
Empfehlenswerter Zwischenstopp: Die Bismarck-Klippe
Umso schöner (und willkommener) waren die kleinen Zwischenstopps, die wir dank Geocaching auf dem Hirtenstieg eingelegt haben. Mein absoluter Favorit: Die Bismarck-Klippe – eine Harz-typische Felsformation, die zum Verweilen und Beklettern einlädt. Die Aussicht, die du von hier aus hast, entschädigt für alle bisherigen Strapazen und liefert Energie für die finale Etappe hoch zum Berg.
Sobald das Gipfel-Plateau in Sichtweite ist, geht es verhältnismäßig schnell. Das letzte Stück des Weges ist angenehm flach und verläuft durch eine spannende Landschaft, die ich als „steppenartig mit vielen Steinen“ beschreiben würde. Auch hier bleiben dir die Betonplatten treu.
Bergab haben der Freund und ich den gleichen Weg wie bergauf gewählt. Wenn du es noch etwas abwechslungsreicher (und anspruchsvoller) haben willst, findest du hier eine Rundwanderweg-Alternative.
Die Wanderung im Überblick
Gesamtlänge: 21,20 km (10,6 hoch & 10,6 runter)
Höhenmeter: 823
Beginn/Ende: Radauwasserfall
Schwierigkeitsgrad: mittel bis schwer (Wege einfach, aber gute Kondition erforderlich)
Highlights: Eckertalsperre mit ehemaliger innerdeutschen Grenze, toller Brocken-Blick, Bismarck-Klippe
Fazit: Wunderschön – aber auch ziemlich tough
Wie oben bereits angedeutet, bin ich zu dieser Brocken Wanderung mit einem verhältnismäßig frischen Kreuzbandriss aufgebrochen. Ich denke aber, dass ich auch ohne die Verletzung auf den letzten paar Kilometern an mein Limit gekommen wäre. 20 km sind eben 20 km – und wer es nicht gewohnt ist, solche Distanzen regelmäßig zu laufen, der spürt irgendwann einfach jeden Meter in den Beinen (erst recht mit ungeeignetem Schuhwerk).
Trotzdem – vielleicht aber auch genau deswegen – empfehle ich dir diese Wanderung auf den Brocken von ganzem Herzen. Die landschaftliche Abwechslung, die unterschiedlichen Wege (teilweise entlang der Talsperre), der herrliche Blick auf den Gipfel… das alles macht diese Tour zu einem echten Erlebnis für Naturliebhaber und Wander-Fans.
Natürlich darf gerade der Aufstieg über den Hirtenstieg keinesfalls unterschätzt werden. Aber ich denke, wenn du den ganzen Tag Zeit hast und das Wetter halbwegs mitspielt, dann wirst du auch definitiv auf dem Gipfel ankommen. Oben erwartet dich dann nicht nur eine (hoffentlich) großartige Aussicht, sondern auch eine ausgedehnte Verschnaufpause mit kulinarischer Stärkung. Garniert wird das Ganze außerdem von dem unbezahlbaren „Ich hab’s geschafft“-Gefühl, das ich persönlich am allermeisten am Wandern liebe.