Goodbye Zwanziger ♡ Hallo Dreißiger

„In den 20ern sollst du dein Leben genießen. In den 30ern machst du deine Erfahrungen. In deinen 40ern zahlst du die Drinks selbst!"
Carrie Bradshaw
Ikone

Heute ist der Tag, an dem ich 30 Jahre alt werde. Eigentlich keine große Sache – denn es ist ja nur eine (andere) Zahl – aber trotzdem irgendwie auch ein besonderer Tag.

Wenn ich mich in letzter Zeit mit anderen Leuten in meinem Alter unterhalten habe – tatsächlich waren es meist Frauen – dann war die Erwartungshaltung der meisten eher angespannt. Die große 3 – für viele scheint es doch eine Art magische Grenze, ein besonderer Wendepunkt im Leben zu sein. Und auch ich habe das Gefühl, dass es jetzt an der Zeit ist, zu reflektieren. Mich zu erinnern. Revue passieren zu lassen.

Nicht mein gesamtes Leben, doch (immerhin) die letzten 10 Jahre. 

Zwischen Studium und Freelance-Business

Wenn ich an mein Studium zurückdenke, dann kommt es mir vor, als hätte dieses in einem anderen Leben stattgefunden – dabei habe ich vor gerade einmal fünf Jahren meinen Masterabschluss gemacht.

Ich studierte Germanistik und später Journalismus, trieb mich auf WG- und Mensapartys rum, lernte für Klausuren und fürs Leben und beging in dieser Zeit auch die eine oder andere Dummheit, an die ich mich heute teils peinlich berührt, teils mit stolzgeschwellter Brust zurück erinnere.

Rückblickend gestehe ich mir ein, dass mein Studium nur bedingt sinnvoll war und ich vermutlich auch ohne Bachelor- und Master-Titel das hätte machen können, was ich heute mache. Doch wie heißt es so schön? „Hinterher ist man immer schlauer.“ Wie wahr!

Direkt nach dem Studium folgte für mich der Einstieg in die Selbstständigkeit – ein Karriereweg, der für viele in den Zwanzigern sicher nicht unbedingt alltäglich ist. 

War das Studium noch eine Zeit des „Sich-Treiben-Lassens“ und Ausprobierens, lenkte mich mein frischgebackenes Freelance-Business schlagartig in eine völlig andere Richtung. Ich musste plötzlich Entscheidungen treffen – Entscheidungen, die nicht nur mein Leben allgemein, sondern auch meinen Kontostand im Speziellen grundlegend beeinflussten.

Aus jetziger Sicht hätte es für mich keinen besseren Berufseinstieg geben können – auch wenn ich es manchmal bedauere, die „typische Phase“ der Praktika und ersten Festanstellungen nach dem Studium „übersprungen“ zu haben.

Aber auch ohne diese Erfahrungen bin ich meinen Weg gegangen, habe mich erfolgreich als freie Texterin selbstständig gemacht, ein Blog-Business gegründet und ein Buch geschrieben – und das alles, bevor ich 30 wurde. 

Hätte man mir das im Februar 2015, kurz nachdem ich meine Masterarbeit verteidigt hatte, gesagt, ich hätte nur milde gelacht.

Von toxischen Beziehungen und der ganz großen Liebe

Kommen wir vom Thema Karriere zu einem völlig anderen: Beziehungen. Ich möchte an dieser Stelle nicht ins Detail gehen, weil mir das schlichtweg zu privat wäre, kann aber gestehen: Meine frühen Zwanziger waren stark beeinflusst von wenig guten und einigen (extrem) toxischen Beziehungen zu Männern. Manche davon habe ich sofort als solche erkannt (und beendet) und andere konnte ich erst jetzt – mit 30 – in diese Kategorie einordnen.

Auch wenn ich manche Begegnungen noch heute nicht ganz hinter mir gelassen habe, möchte ich letztlich auch keine davon missen (okay, eine vielleicht schon…). Denn jede Beziehung – hat sie mich auch noch so viele Ressourcen gekostet – hat mich etwas gelehrt und mich weiser gemacht.

Ich übe mich heute darin, in jeder negativen Erfahrung immer auch etwas Positives zu sehen. Das ist des öfteren nicht ganz einfach, hilft mir aber enorm dabei, meinen Frieden mit verschiedenen Kapiteln meiner Vergangenheit zu schließen.

Und worauf es doch letztlich am meisten ankommt: Mitten in meinen Zwanzigern habe ich – ganz plötzlich und völlig unerwartet – den einen getroffen, der so ganz und gar nicht toxisch war… und nie wieder gehen gelassen.

Foto: Goldine Fotografie

Verluste, die noch heute schmerzen

Die vergangenen zehn Jahre meines Lebens waren Jahre des Fortschritts, in denen ich mich stetig weiterentwickelt habe. Und doch musste ich auch ein paar harte Verluste hinnehmen und lernen, wie hart einen Trauer in all ihrer Tragweite zurückwerfen kann.

Manch ein Abschied schmerzt heute noch genauso wie damals und schiebt sich in den unterschiedlichsten Alltagssituationen ohne Vorwarnung in mein Bewusstsein. Andere sind zu einer bittersüßen Erinnerung geworden, die ich ewig in meinem Herzen eingeschlossen und dadurch immer bei mir habe.

Auch wenn ich jeden Verlust zweifelsfrei gern rückgängig machen würde, bin ich auch in diesem Zusammenhang überzeugt davon, dass ich durch all diese Erlebnisse (über mich hinaus) gewachsen bin. 

Ich habe durch sie gelernt, dass Abschiede manchmal eben doch für immer sind. Dass wirklich schlimme Dinge eben nicht nur „den anderen“ passieren. Dass ich gebraucht werde. Und dass Liebe einfach alles überdauert – auch und erst recht den Tod.

Umzüge und andere Veränderungen

Dreimal bin ich in der vergangenen Dekade meines Lebens umgezogen, in drei verschiedenen Städten habe ich gelebt – für die einen ist das viel, für die anderen wenig.

Für mich war jeder Umzug notwendig und ein Ereignis, das nicht nur räumliche Veränderungen mit sich brachte. Denn immer wieder hieß es „Abschied nehmen“, aber auch „Neues in mein Leben lassen“. Jedes Mal, wenn ich mein Hab und Gut in Umzugskartons verpackte, dachte ich in mich hinein grinsend an ein Sprichwort, das ich zum ersten Mal von meinem Vater hörte:

"Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung."
Heraklit
Griechischer Philosoph

Wie recht der alte Heraklit doch hatte! Veränderungen, seien es nun große wie ein Umzug in eine andere Stadt oder kleine wie der Wechsel von einem gewohnten Produkt hin zu einer nachhaltigen Alternative, fordern uns immer wieder aufs Neue heraus und ängstigen uns auch in manchen Fällen. Gewohntes hingegen schafft Struktur und gibt uns Halt in Momenten, in denen wir verunsichert sind.

Auch ich dachte hin und wieder darüber nach, ob diese oder jene Entscheidung (zu Gunsten einer Veränderung) die richtige war. Am Ende habe ich immer wieder festgestellt: Nicht jeder Schritt, den ich in den letzten zehn Jahren gegangen bin, war richtig. Aber jeder davon war notwendig – und das ist für mich schlussendlich das, was zählt. 

Hallo Welt!

Waren Reisen während meines Studiums noch ein kaum vorstellbares Luxusgut, entdeckte ich mein Fernweh erst so richtig mit Beginn meiner Selbstständigkeit (und dem damit verbundenen Kontostand) – also verhältnismäßig spät.

Während andere Mittzwanziger schon einmal um die ganze Welt geflogen waren und Thailand, Bali und Australien wie ihre Westentasche kannten, tastete ich mich langsam an dieses „Reise-Game“ heran – und entwickelte schon bald große Sehnsucht. 

Wenn es eine Reise in meinen Zwanzigern gab, die mich wirklich nachhaltig beeinflusst und geprägt hat, dann war es unser erster Schweden-Trip 2017. Nie zuvor im Leben habe ich mich so frei, so unabhängig und gleichzeitig so geerdet gefühlt wie in diesen zehn Tagen.

Auch wenn die zweite Reise nach Schweden im Jahr darauf ähnlich abenteuerlich war, kam sie doch nicht ganz an dieses Gefühl heran. Kein Wunder, schließlich gab es den Zauber des ersten Mals leider nicht mehr.

Dass ich in meinen Dreißigern noch mehr als in den Zwanzigern reisen werde, steht außer Frage. Und genauso selbstverständlich: Wir werden anders reisen als zuvor. Denn nun geht es nicht nur darum, die Bedürfnisse zweier Erwachsener zu stillen, sondern auch die einer Mini-Abenteurerin, der ich am liebsten die ganze Welt zeigen möchte.

You made me a mom

Das vergangene Jahrzehnt meines Lebens war gespickt von Highlights, Veränderungen, Begegnungen und Abschieden. Und auch wenn diese mich allesamt geprägt haben, kommt nichts davon auch nur ansatzweise in die Nähe dieses einen Tages Anfang Juli.

Denn an diesem Tag – ungefähr ein halbes Jahr vor meinem 30. Geburtstag – wurde ich Mutter.

Die Geburt meiner Tochter hat mein Leben auf so bleibende und die wundervollste Weise verändert, die ich mir niemals hätte vorstellen können. Seitdem sie auf der Welt ist, nehme ich die Dinge um mich herum so viel bewusster wahr. Ich lebe im Hier und Jetzt, sauge jeden Moment mit meinem Baby auf und spüre, wie ich mich auf die Dinge konzentriere, die wirklich wichtig sind: Meine Gesundheit, mein Seelenheil und die Menschen, die ich liebe.

Auf mich und die nächsten zehn Jahre!

Meine Zwanziger sind nun offiziell vorbei und ich gebe zu: So ein kleines bisschen wehmütig bin ich schon – erst recht nach dem Schreiben dieser Zeilen. Doch ich weiß auch: Die nächsten Jahre werden fabelhaft! 

Denn ich muss nicht mehr fürs Studium büffeln, mich nicht mehr fragen, was ich mit meinem Leben anfangen möchte, keine Zeit mit der Suche nach dem richtigen Partner verschwenden oder mich von Selbstzweifeln auffressen lassen. 

Jetzt ist die Zeit zum Leben und Genießen.

Oder um es mit einem Zitat auszudrücken, das in meinen Dreißigern hoffentlich eine große Rolle spielen wird:

"Jetzt sind die guten alten Zeiten, nach denen wir uns in zehn Jahren zurücksehnen."
Peter Alexander Ustinov
Schauspieler, Schriftsteller, Regisseur