19 Stunden im Nachtzug ♡ von Luleå nach Stockholm

„Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen.“

Ich weiß nicht, wie oft mir dieser bekloppte Spruch in den 19 Stunden durch den Kopf ging, die wir – der Freund und ich – im Nachtzug von Luleå nach Stockholm verbracht hatten. „Schmale“ 13 Stunden sollte die Fahrt eigentlich dauern. Doch beginnen wir die Geschichte von vorn…

Läuft bei uns ♡ nicht.

Geplant war, dass wir abends in den Zug steigen, selig schlafen und am nächsten Vormittag, 900 km später, taufrisch und gut erholt Stockholm erreichen. Dort dann ein kleines Frühstück zu uns nehmen, den Mietwagen abholen, einkaufen und ab ins Archipel, wo wir die letzten sechs Tage unserer Schwedenreise verbringen wollten.

Wie gesagt, das war der Plan. Als er geschmiedet und mit feinen Details ausgeschmückt wurde, wussten wir noch nichts von dem Brand irgendwo in Norwegen, der uns zusätzlich zur regulären Reisezeit noch sechs Stunden Delay bescheren sollte. Und so kam es, dass wir wegen Wartens auf Anschlussreisende ganze 19 Stunden auf ruckelnden 5 Quadratmetern verbrachten. Noch nie hatte ich ein krasseres Reiseerlebnis.

Reisen mit dem Nachtzug ♡ Ein Erfahrungsbericht.

Ich habe mich ganz bewusst für das Reisen per Nachtzug entschieden, wollte diese Erfahrung unbedingt einmal machen und malte mir im Vorfeld schon die abenteuerlichsten Szenarien im Kopf aus.

Mit dem Nachtzug reisen… Das hat so etwas Nostalgisches, so etwas Genussvolles, so etwas ganz Spezielles.

Rückblickend kann ich die Fahrt mit dem Nachtzug von Luleå nach Stockholm jedoch eher mit diesen Attributen beschreiben:

» laut

» unendlich lang

» und wahnsinnig schwül

Ja, okay, niemand kann etwas dafür, dass dieser ultimative Höllen-Sommer vom letzten Jahr auch an der schwedischen Grenze nicht Halt gemacht hat. Und eigentlich bin ich ihm auch sehr dankbar dafür, weil er uns unvergessliche Momente in Lappland und im Stockholm Archipel beschert hat, aber… ES WAR SO UNENDLICH HEISS IN UNSERER KONSERVENDOSE! Und das (ich muss es einfach immer wieder betonen) qualvolle 19 Stunden lang!

Das hatte nichts mit Genuss oder Nostalgie zu tun, das war irgendwann (zumindest gefühlt) der blanke Kampf ums Überleben.

Flug vs. Zug ♡ Reisedauer und Umweltbilanz

Nur mal so zum Vergleich: Auf der Hinreise nach Lappland waren wir mit dem Flugzeug von Stockholm-Arlanda aus etwas über eine Stunde unterwegs (+ Wartezeiten, versteht sich). Ein Wimpernschlag im Vergleich zu dem, was uns auf dem Rückweg erwartete – selbst ohne die Verspätung.

Das war mir von Anfang an bewusst und trotzdem wollte ich unbedingt Zug fahren. Nicht nur wegen der oben beschriebenen Erwartungen, sondern auch, weil der Zug eines der umweltfreundlichsten Verkehrsmitteln ist. Ja, ich habe immer noch diese Sache mit der Nachhaltigkeit am Laufen

Falls dich die harten Fakten interessieren: Unser Flug von Stockholm nach Luleå verursachte laut Atmosfair etwa 436 kg CO2-Emission pro Kopf. Ich konnte zwar keine vergleichbare Zahl für die Rückreise per Zug finden, bin mir aber ziemlich sicher, dass der CO2-Ausstoß deutlich darunter lag.

Was vielen vielleicht völlig Schnuppe ist, gibt mir wenigstens die Gewissheit: Ich habe mich nicht umsonst geopfert, sondern der Umwelt wirklich eine Gefallen getan. Immerhin…

Kann man im Nachtzug wirklich schlafen? ♡ Jain.

Kommen wir zu einem völlig anderen – aber keineswegs unwichtigen – Thema, nämlich der Frage, ob eine Reise mit dem Nachtzug wirklich so entspannt und erholsam ist, wie man es sich allgemein vorstellt.

Wer im Nachtzug nicht nur von A nach B reisen, sondern auch wirklich schlafen möchte, der sollte unbedingt wissen, worauf er oder sie sich einlässt. Ich wusste es leider nur so halb.

Ja, ein Zug ruckelt. Ja, ein Zug ist laut. Ja, beides trägt nicht unbedingt zu einer erholsamen Nachtruhe bei. Erst recht nicht, wenn man versucht, mit latenter Platzangst und bei gefühlten 52 Grad auf seiner Pritsche einzuschlafen.

Ich empfehle unbedingt diese Hilfsmittel für den Schlaf im Nachtzug:

» Schlafbrille

» Ohrstöpsel

» eigenes Kissen

Wenn ich an meine Nacht im Nachtzug zurück denke, dann war es tatsächlich eine von denen, die es auf eine „Worst of“-Bestenliste schaffen würden. Ich erinnere mich an ein Gefühl der Beklemmung, an den Gedanken, nie an unserem Ziel anzukommen und an die riesige Erleichterung, als sich der Zug gegen ein Uhr morgens doch noch endlich in Bewegung setzte – abgelöst von der Erkenntnis, dass die Lautstärke des alten Zuges nicht gerade beruhigende Wunderkräfte hat.

Der „Morgen danach“

Als ich am nächsten Morgen aufwachte (ich musste es also tatsächlich irgendwie geschafft haben, einzuschlafen) – zerknittert und ziemlich müde – war ich einfach froh, dass die Nacht vorbei war. Spätestens zu diesem Zeitpunkt waren alle romantischen Vorstellungen vom Reisen mit dem Nachtzug verflogen und der allgemeinen Ernüchterung gewichen: Diese Fahrt hat es definitiv geschafft, mich an meine (körperlichen) Grenzen zu bringen.

Reisen mit dem Nachtzug ♡ Insider-Tipps.

Bitte verstehe mich nicht falsch. Unsere Reise mit dem Nachtzug war mehr als hart – aber irgendwie war sie auch ziemlich aufregend und besonders. Ich würde diese Form der Fortbewegung also keinesfalls kategorisch ausschließen, wenn es darum geht, zukünftige Reisen zu planen.

Erst recht nicht, da ich nun weiß, worauf ich mich einlasse und wie ich mich am besten darauf vorbereite. Sehr gern möchte ich mein „Insider-Wissen“ an dieser Stelle mit dir teilen – für den Fall, dass du noch nicht gänzlich abgeschreckt bist und immer noch überlegst, auch mal mit dem Nachtzug zu fahren…

Must-Haves für die Nachtzug-Reise

Ohne diese Accessoires und Helfer geht meiner Meinung nach nix:

» Schlappen/Schuhe zum Reinschlüpfen (v.a. für den nächtlichen Klogang)

» bequeme, leichte Kleidung

» Getränke und Snacks (viiiieeel Wasser, Zucker und Koffein!)

» Waschlappen, Feuchttücher, Deo und sonstige Hygiene-Artikel

» Handtuch

» Unterhaltungsmedien (unbedingt auch analoge)

» Ladegerät(e)

» Notizbuch/Memo-App (für die vielen Gedanken, die du dir unterwegs machen wirst)

» Taschenlampe/Handylicht

» Fächer/Mini-Ventilator (zumindest im Sommer)

» frische Unterwäsche

Richtig packen für den Nachtzug

Wie viel Gepäck du mit auf deine Reise nehmen willst, ist immer Geschmackssache und hängt natürlich auch davon ab, wie lang und wo du unterwegs bist.

In unserem Fall sorgten zwei Wochen Schweden-Urlaub dafür, dass wir nicht gerade minimalistisch ausgestattet waren – ein echter Nachteil, wie sich zeigen sollte. Denn so ein Nachtzug-Abteil ist nun mal nicht die Präsidentensuite und „platztechnisch“ stark beschränkt. Mit vier Koffern und zwei Rucksäcken stießen wir ziemlich schnell an unser Limit…

Um trotzdem alle wichtigen (und manchmal lebensrettenden) Utensilien schnell zur Hand zu haben und nicht erst den halben Koffer umgraben zu müssen, empfehle ich dir, sinnvoll für die Fahrt zu packen. Das bedeutet ganz einfach: Bring alles, was du im Nachtzug brauchst, in einem separaten (kleineren) Gepäckstück unter und deponiere das große Gepäck gleich nach Beginn der Fahrt im dafür vorgesehenen Fach.

Auf unserer ersten Nachtzug-Reise haben wir noch nicht ganz optimal gepackt

Auf diese Weise schonst du nicht nur deine Nerven, du sorgst auch für maximale Ordnung (etwas, was ich während der Reise als extrem wichtig empfunden habe).

Augen auf bei der Platzwahl

Ich war – um es auf den Punkt zu bringen – schockiert, als ich sah, dass etliche Passagiere die 19-stündige Fahrt nicht wie wir in einem separaten Abteil verbrachten, sondern in ganz normalen Zugwaggons, wie man sie auch von der innerdeutschen Reise mit dem Regionalexpress kennt – also entweder zu zweit nebeneinander sitzend oder auf einem „Vierer“.

Grundsätzlich ist das ja keine menschenverachtende Art des Personentransports – aber IN UNSEREM FALL konnte ich es mir absolut nicht vorstellen. Ich war ja am Ende der Reise schon fix und fertig. Wie musste es erst diesen Menschen gehen? Ohne Privatsphäre. Ohne Möglichkeit, sich richtig zu entspannen. Ohne eigenes Waschbecken.

So sah unser Abteil vom oberen Bett aus aus

Für mich steht auf jeden Fall fest: Wenn ich nochmal mit dem Nachtzug fahre, dann definitiv wieder nur im „eigenen“ Schlafabteil – also mit Betten, Decken und der Option, die Tür hinter mir abzuschließen. Außerdem extrem wichtig für mich: Keine fremde Person, mit der ich mir diesen Mikrokosmos teilen muss. Mir reicht der Freund als Reisebegleitung voll und ganz aus.

Nachtzug fahren mit Baby oder Kleinkind

…stelle ich mir extrem schwierig vor. In unserem Fall wäre definitiv kein Platz für ein Reisebettchen gewesen. Und auch die „großen“ Betten boten kaum genug Liegefläche für eine erwachsene Person. Ich glaube kaum, dass da noch ein kleiner Mini-Mensch Platz finden würde.

Mit größeren Kindern, die schon in einem eigenen Bett schlafen (können), ist das Reisen mit dem Nachtzug sicherlich weniger kompliziert. Aber auch hier lauern bestimmt einige Fallstricke (Stichwort: Lagerkoller). Ohne ausreichend Beschäftigungsmaßnahmen würde die Reise wohl eher einem Himmelfahrtskommando gleichen.

Unterm Strich würde ich auf jeden Fall bis zu einem Alter warten, in dem sich das Kind über längere Zeit selbst beschäftigen kann und einen gewissen Grad an Vernunft entwickelt hat. Außerdem würde ich „klein“ anfangen und nur verhältnismäßig kurze Strecken mit dem Nachtzug fahren (die auch wirklich nur eine NACHT dauern). Aber das sind alles nur theoretische Überlegungen und keine praktischen Tipps.

Wie sich so eine Nachtzug-Reise mit Kind tatsächlich in der Praxis gestaltet, kann ich nicht beurteilen. Vielleicht probiere ich es irgendwann mal aus. Dann werde ich hier natürlich darüber berichten…

Fazit: Ich möchte es wieder tun!

Unsere erste Reise mit dem Nachtzug war ein echtes Abenteuer, an das ich mich sicher noch viele Jahre erinnern werde.

Ich weiß noch, wie ich am Ende völlig gerädert aus dem Zug ausgestiegen bin und danach nur noch im Autopilot funktioniert habe. An die Weiterreise ins Stockholm Archipel (mit Mietauto und Boot) erinnere ich mich nur noch bruchstückhaft, weil mein Körper einfach am Ende war.

Trotzdem (oder vielleicht genau deswegen?) möchte ich dem Nachtzug eine zweite Chance geben und es irgendwann wieder wagen. Grundsätzlich bin ich nämlich der Meinung, dass dies eine ziemlich coole, entspannte und auch nachhaltige Art zu Reisen ist – vorausgesetzt, die Fahrt dauert keine 19 Stunden…