Literaturtipp ♡ „Machandel“ von Regina Scheer

Anmerkung: Dieser Beitrag enthält Affiliate Links. Wenn du das Buch darüber bestellst, erhalte ich eine kleine Provision. Für dich entstehen keine zusätzlichen Kosten oder andere Nachteile.


Wenn der Wind leise durch die Weidenäste über dir streicht und die Hängematte, in der du liegst, sanft zum Schaukeln bringt, dann weißt du: Das hier ist der perfekte Ort zum Lesen. Wenn dann auch noch die Lektüre passt, kommt das meiner Vorstellung vom Paradies verdächtig nahe.

Während ich diesen Blogbeitrag schreibe, sitze ich auf der kleinen Insel Vettersö im Stockholmer Schärengarten. Wenn er online geht, bin ich längst wieder in Erfurt, denn in unserer Hütte gibt neben der Toilette mit Wasserspülung natürlich auch kein WLAN. Solche Luxusgüter darf man hier draußen im Archipel, das aus 30.000 Inseln und Inselchen besteht, einfach nicht erwarten.

Aber darum soll es in diesem Artikel auch gar nicht gehen. Ich schreibe diese Zeilen, weil ich dir einen Roman ans Herz legen möchte: „Machandel“ von Regina Scheer(Affiliate). Und obwohl dieses Buch meine Urlaubslektüre im Sommer 2018 war, bin ich fest überzeugt: Es eignet sich auch ganz hervorragend für schmuddelige Herbst- und Wintertage.

Deutsche Zeitgeschichte

„Machandel“ ist ein Roman, der sich mit der neueren deutschen Geschichte, konkret dem 2. Weltkrieg, der DDR und der Zeit dazwischen auseinandersetzt. Doch keine Angst, dich erwartet kein staubtrockener Lesestoff, der tausendfach Erzähltes noch einmal aufwärmt.

Der Autorin Regina Scheer gelingt es, die Geschehnisse dieser Zeitepochen nicht als Ganzes wiederzugeben, sondern ganz behutsam einzelne Perlen herauszupicken und auf einem fragilen Faden aufzureihen. Die FAZ verwendete in ihrer Rezension von „Machandel“ die Metapher eines „faszinierenden Kaleidoskops“, die mir ebenfalls sehr gefällt und definitiv passt.

Tatsächlich hat es Regina Scheer geschafft, die deutsche Zeitgeschichte einmal völlig anders, völlig neu zu erzählen. Natürlich kommt auch ihr Versuch nicht ohne Namen wie Hitler und Honecker aus, doch gelingt es der Autorin gleichermaßen, neue Akzente zu setzen, weniger bekannte Umstände einfließen zu lassen, Schwerpunkte anders zu setzen und so die Geschehnisse zwischen 1933 und 1990 auf eine ganz andere Weise wiederzugeben. Mich hat sie damit definitiv überzeugt.

Der Inhalt in aller Kürze

Die Protagonistin Clara kommt im Sommer 1985 nach Machandel, jenes Dorf, in dem sich ihr Vater, ein verfolgter Kommunist und ihre Mutter, eine Flüchtlingsfrau aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, nach Kriegsende begegneten und ihr Bruder Jan zur Welt kam. Dieser bereitet sich gerade auf seine Ausreise in die BRD vor und möchte den Ort seiner Kindheit ein letztes Mal besuchen.

Der bevorstehende Abschied schmerzt Clara sehr, doch genau hier in diesem mecklenburgischem Dorf, in dem scheinbar alles anfing und auch alles endet, findet sie eine alte, leerstehende Hütte, in die sie sich augenblicklich verliebt. Clara und Ehemann Michael, die mit den Töchtern Julia und Caroline in Ost-Berlin wohnen, entscheiden, an den Sommerwochenenden in der Hütte zu leben – und so kommt es, dass sie diese erst mieten und später kaufen.

In Machandel entdeckt Clara jedoch nicht nur ihr kleines, persönliches Paradies, sondern auch verschiedene Spuren, die auf die Vergangenheit ihrer Eltern, die verschiedener Dorfbewohner und letztlich auch auf ihre eigene verweisen…

Das Besondere an „Machandel“

„Machandel“ wird nicht nur aus der Sicht von Clara erzählt, sondern aus der verschiedener Charaktere. So nimmst du beim Lesen beispielsweise auch die Perspektive von Ostarbeiterin Natalja, Claras Vater Hans und der aus dem zerbombten Hamburg geflüchteten Emma ein.

Diese besondere Erzählweise ist es, die mich so mitgerissen und dafür gesorgt hat, dass ich den Roman so schnell wie lang kein Buch mehr verschlungen habe.

Es ist unglaublich spannend, verschiedene Teilaspekte der Geschichte aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu erfahren, immer wieder in der Zeit hin und her zu springen, neue Details zu erfahren und zu verfolgen, wie alle Erzählstränge Puzzleteil für Puzzleteil zu einem Ganzen verschmelzen.

Wem ich das Buch empfehle

„Machandel“ ist keine Jedermannlektüre. Denn auch wenn Regina Scheer einen überaus angenehmen, fließenden Schreibstil hat, bin ich der festen Meinung, dass nicht jeder Leser Freude an der zeitgeschichtlichen Thematik haben wird.

Sicher, es ist ein Roman über Familienbande, (endende) Liebe und Aufbruch. Doch es ist eben auch ein Roman mit historischem Hintergrund, der an vielen Stellen der Geschichte deutlich in den Vordergrund rückt. Ich empfehle ihn dir daher nur, wenn du ein grundlegendes historisches Interesse mitbringst und dich Schlagwörter wie KZ, Stasi und Wende nicht abschrecken.

Dann wirst du wie ich große Freude beim Lesen von „Machandel“ haben und über die vielen Facetten des Romans, jene feinen Nuancen, die aus deutscher Geschichte plötzlich persönliche Geschichten machen, staunen.

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Was ich für mich mitnehme

Ich halte nicht besonders viel davon, heute noch von „dem Osten“ und „dem Westen“ Deutschlands zu sprechen und dabei nicht bloß Himmelsrichtungen zu meinen. Doch ich weiß auch, wie wichtig es ist, sich daran zu erinnern, dass das Land, in dem meine Eltern geboren wurden und aufgewachsen sind, nicht mehr existiert.

Beim Lesen von „Machandel“ ist mir das nach Langem mal wieder bewusst geworden und ich habe entschieden, bei einem der nächsten Wiedersehen die Chance zu ergreifen und nochmal nachzufragen. Nicht nur, wie es war, in der DDR gelebt zu haben, denn darüber reden sie verhältnismäßig oft, viel und gern. Sondern auch, wie es sich angefühlt hat, als sich das Ende dieses Staates andeutete und irgendwann einfach alles anders war.

Ich kann es mir nämlich nur sehr schwer vorstellen.