Mit einer Arschbombe in die Selbstständigkeit ♡ Mein Weg ins eigene Freelance-Business

Immer wieder mal erreicht mich die Frage: Jessi, wie kam es eigentlich dazu, dass du dich selbstständig gemacht hast?

Weil mein Weg durchaus etwas untypisch war und sich von den oft zitierten „Du brauchst einen Masterplan“-Predigten unterscheidet, ich aber trotzdem gerade deswegen sehr stolz auf meinen Werdegang bin, möchte ich sie hier und heute gern ausführlich beantworten.

Es folgt: Eine Karrierestory, die mit dem Satz „Ich habe einfach keinen Job gefunden.“ beginnt.

Auf Jobsuche: Vom Landeskirchenamt bis zum Online-Shop für Jagdzubehör

Frühjahr 2015. Ich habe meinen Masterabschluss in der Tasche (Abschlussnote 1,0, yeah!) und stecke voller Tatendrang. Hallo Welt! Hallo Traumjob!

Meine Vorstellungen sind klar: Ich möchte gern im Lokaljournalismus Fuß fassen. Endlich wieder mehr Qualität in das regionale Blatt meiner Heimat bringen. Storys recherchieren. Menschen kennenlernen. Investigativ aufdecken.

Doch schon nach kurzer Zeit stellen sich zwei Dinge bei mir ein: 1. Ernüchterung und 2. die Erkenntnis, dass niemand – ABSOLUT NIEMAND! – auf mich und mein Schreibtalent gewartet hat. Es flattern die ersten Absagen rein. Und wer mir nicht absagt, der lässt gar nichts von sich hören. So ist das scheinbar heutzutage, wenn man einen Job sucht.

Schnell begreife ich: Ich muss wohl oder übel vom ursprünglichen Plan abweichen. Mich anderen Möglichkeiten öffnen und meinen  Suchradius erweitern.

Tschüss Journalismus, hallo Öffentlichkeitsarbeit.

Ich schreibe Bewerbungen, lege umfangreiche Excel-Tabellen an, telefoniere und schreibe noch mehr Bewerbungen.  Am Ende kann ich sagen: Ich habe so ziemlich alles versucht – vom Thüringer Landeskirchenamt bis hin zu einem Onlineshop für Jagdzubehör (Verzweiflung made me do it…).

Der Gang nach Canossa… aka. zum Arbeitsamt

Doch weil die erlösende Einladung zu einem Vorstellungsgespräch weiterhin ausbleibt (mein Selbstwertgefühl hat es sich inzwischen im Untergeschoss meiner Psyche gemütlich gemacht, gleich neben dem begrabenen Wunsch, eine erfolgreiche Lokaljournalistin zu werden), stelle ich mich dem Gang zum Arbeitsamt.

Es ist ein schwerer Gang, der mich viel Kraft kostet und am Ende noch ratloser dastehen lässt. Denn die nüchterne Einschätzung meines  Beraters: „Frau Fichtel, ich habe einfach keinen Job für Sie, auf den Sie sich bewerben können.“

Okay, cool. Erzähl‘ mir was Neues.

Ich erhalte von ihm das Angebot, mich doch einfach beim Arbeitsamt zu bewerben. Auf meine Frage, was mich denn für diesen Job qualifiziere, antwortet er: „Na, Sie haben doch studiert, das würden Sie auf jeden Fall hinbekommen.“ Danke für so viel Zuversicht, mein Lieber, aber: Nein, danke.

Arbeitslos oder selbstständig?

Ich lehne ab; und stehe plötzlich vor der Entscheidung: Arbeitslos melden oder selbstständig machen?

Aus einem spontanen Impuls heraus und ohne groß darüber nachzudenken wähle ich die Selbstständigkeit – und das, obwohl ich früher immer gesagt habe, ich würde mich niiiiiiiiieeeeemals selbstständig machen. Der Joke of my life sozusagen.

Und noch so ein Joke: Ich habe nicht nur eine grundlegende Abneigung gegen das Dasein als Selbstständige, sondern obendrauf auch überhaupt keine Ahnung davon. Um trotzdem nicht gleich zu Beginn sang- und klanglos unterzugehen, beschließe ich, mir Hilfe ins Boot zu holen.

Der Freund ist zu dieser Zeit schon fast zehn Jahre selbstständig und scheint mir ein kompetenter Berater zu sein. Außerdem habe ich eine gute Freundin, die als Steuerberaterin arbeitet und mir zum ersten Mal so Begriffe wie „Freiberuflerin“, „Umsatzsteuer-ID“ und „ELSTER-Formular“ um die Ohren knallt. Aha, tell me more!

Ich sauge alle Informationen auf wie ein Schwamm und bin schon bald übersättigt. Die Tipps, Hinweise und Empfehlungen tropfen aus mir heraus wie das Wasser, das der Schwamm nicht mehr aufnehmen kann – der perfekte Zeitpunkt, um einfach anzufangen. Alles, was ich nach dem Start erst wissen muss, kann ich mir auch später noch aneignen.

Einatmen, ausatmen, Anlauf nehmen, abspringen.

Rückblickend beschreibe ich meinen Schritt in die Selbstständigkeit gern als Arschbombe – ins eiskalte Wasser. Ich hatte wirklich überhaupt keine Ahnung, auf was ich mich einlassen würde, als ich dem Finanzamt einen Brief schickte, in dem ich um die Vergabe einer Steuernummer für meine freiberufliche Tätigkeit als Texterin bat.

Ich hatte auch keine Ahnung, als ich den Fragebogen zur steuerlichen Erfassung erhielt und ausfüllte, mir Kunden suchen, meinen beruflichen Alltag strukturieren, Aufträge umsetzen und schließlich erste Rechnungen schreiben musste.

Was mir in dieser Zeit am meisten half? Ruhe bewahren und atmen.

Obwohl meine Selbstständigkeit mit einem großen *PLATSCH!* begann, ging ich danach ganz langsam einen Schritt nach dem anderen – es war ja auch nicht so, dass mich von Tag 1 an die Kundenanfragen überrollten, haha. Und trotzdem weiß ich noch ganz genau, wie ich am Ende meines ersten Monats als Freelancerin feststellte, dass ich stolze 800 Euro brutto verdient hatte. Die Entscheidung für die Selbstständigkeit und gegen die Arbeitslosigkeit hatte sich in meinen Augen vom ersten Moment an gelohnt.

Wenn ich heute so darüber nachdenke, dann habe ich in den ersten Monaten als freiberufliche Texterin mehr gelernt als in fünf Jahren Studium – über mein Business, aber auch über mich selbst.

Von Anfang an fiel es mir erstaunlich leicht, mich zum Arbeiten zu motivieren – auch wenn hinter mir kein Chef stand, der mir (unterschwellig) Druck machte. Ich habe bis zum heutigen Tag noch jede Herausforderung gemeistert und darf auf ein paar großartige Karriere-Highlights zurückblicken.

Das Leben als Freelancerin (egal in welcher Branche) ist keinesfalls leicht – und auch wenn es uns Instagram und Co. gern suggerieren: Niemandem fliegen die gebratenen Tauben einfach so in den Mund. Auch ich musste mir meine Erfolge erarbeiten und darf deswegen umso stolzer auf sie sein.

Zwischen Momlife und neuen Karriereschritten

Ich bin jetzt schon gespannt, welche Meilensteine mich auf meinem Karriereweg noch alles erwarten werden. Gerade legt mein Business eine kleine Pause ein, damit ich mich einem noch viel größeren Projekt widmen kann – doch das ist eine ganz andere Geschichte und soll nicht in diesem Beitrag thematisiert werden.

Nur so viel: Bevor ich in die Babypause ging, habe ich mir natürlich Gedanken darüber gemacht, wie es mit meiner Selbstständigkeit weitergehen würde. Bleiben mir meine Kunden treu? Kann ich laufende Rechnungen bezahlen? Versinke ich in der (angeblichen) Bedeutungslosigkeit des stinknormalen „Momlifes“? Werde ich es schaffen, da anzuknüpfen, wo ich aufgehört habe?

Immer dann, wenn ich mir die letzte Frage stelle, muss ich augenblicklich grinsen. Immerhin habe ich es vor viereinhalb Jahren quasi aus dem nichts geschafft, mir ein Freelance-Business aufzubauen und damit einen Namen zu machen – ganz ohne Plan und ohne Referenzen. Es muss schon mehr „passieren“ als die Geburt eines zuckensüßen Babys, um mir das zu nehmen und jeden weiteren Karriereschritt unmöglich zu machen.

Nach der Arschbombe folgt die Langstreckendistanz.

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