Leseprobe ♡ Ein erster Einblick in meinen Roman.

Seit zwei Jahren schreibe ich nun schon an meinem Erstlingsroman – und wenn es schlecht (oder gut?) läuft, dann dauert es auch noch zwei Jahre, ehe ich ihn veröffentlichen kann. Um dir die Wartezeit ein bisschen zu versüßen, habe ich mich heute endlich getraut, eine erste kleine Kost- beziehungsweise Leseprobe zu veröffentlichen. Ich hoffe, dass sie auch ohne großen Kontext drum herum halbwegs einleuchtend ist… Viel Spaß beim Lesen ♡


Mein Handy brummt und verkündet mir den Eingang einer neuen Nachricht von Christoph. Ich lese sie („Was machst du gerade? Denk an dich.“) und beschließe kurzerhand, ihn anzurufen. Während das monotone Tuten in mein Ohr dringt, rast mein Herz, ganz so, als würde ich meinen Schwarm zum ersten Mal anrufen, um ihn um ein Date zu bitten. Bei jedem Wartesignal hoffe ich ein kleines bisschen mehr, dass er nicht abnimmt und ich ihm eine „Hey, hab versucht, dich anzurufen, aber du bist nicht ran“-Nachricht schicken kann. Aber wie in einem miesen Roman nimmt er genau in der Sekunde ab, in der ich auflegen will.

„Sorry Liebling, in der Bar war es so laut, musste erst mal raus gehen, damit wir uns verstehen können.“

„Ist kein Problem, ich habe ja einen langen Atem. Arbeitest du?“

„Wenn ich arbeiten würde, könnte ich dir schlecht Nachrichten schicken und zum Telefonieren raus rennen, meinst du nicht auch?“

„Stimmt, dumm von mir. Also bist du nur so mit den Jungs da?“

„Ja, mit so ein paar Leuten.“

„Mit so ein paar Leuten? Kenne ich die?“

„Naja, nee, weiß nicht. Heute ging doch dieser Jazz-Workshop an der Musikschule los und meine Schüler haben gefragt, ob ich noch etwas mit ihnen trinken gehe.“

„Schüler, die ihren Lehrer zu nem Saufabend einladen? So etwas Absurdes hab ich noch nie gehört!“

„Emmy, das ist nicht absurd. Das sind alles erwachsene Menschen in unserem Alter, die etwas über Jazz lernen wollen und gern in Gesellschaft sind.“

Ich höre eine weibliche Stimme im Hintergrund sagen: „Ach hier steckst du, Chris! Wir haben dich schon alle gesucht! Hast du vielleicht mal Feuer für mich?“

In mir starten 200 Sirenen gleichzeitig ein ohrenbetäubendes Jaul-Konzert.

„Wer ist das?“

„Wer?“

„Die Frau, die dich Chris nennt und nach Feuer fragt, obwohl du seit sieben Jahren nicht mehr rauchst, wie du allen immer ganz stolz erzählst.“

„Ach so. Das ist nur eine meiner Schülerinnen.“

„Klingt ja sehr nett, deine Schülerin. Fast schon ein bisschen zu nett.“

Ich hab keine Ahnung, was mit mir los ist, aber ich kann nicht anders, als meine Giftpfeile auf den wehrlosen Christoph zu schießen. Der Gedanke, dass er den Abend mit einer anderen Frau verbringt, einer gutaussehenden vielleicht sogar, löst einiges in mir aus – und nichts davon ist gut.

„Entspann dich Emmy. Es ist alles, wie ich dir gesagt habe. Wir hatten heute die erste Unterrichtsstunde und um uns alle etwas besser kennenzulernen, sind wir nun noch etwas trinken gegangen. Warum darf ich keinen Spaß haben? Du amüsierst dich doch auch mit anderen Leuten.“

„Mit anderen Leuten, die du kennst!“

„Das ist nicht wahr. Ich kenne Caro. Die anderen beiden Gestalten habe ich auf der Beerdigung zum ersten Mal gesehen.“

„Gestalten, ja? Das sind meine FREUNDE! Du hingegen ziehst mit wildfremden Frauen um die Häuser! Das ist ja wohl etwas ganz anderes!“

„Erstens sind es nicht ausschließlich Frauen, sondern auch Männer und zweitens ziehen wir nicht um die Häuser, sondern sitzen seit anderthalb Stunden im Pub! Mensch Emmy, ich hab dir doch geschrieben, dass ich gerade an dich gedacht hab. Warum streiten wir uns dann jetzt?“

„Weil du mir etwas verschweigst! Du hättest gleich sagen können, dass du unterwegs bist mit deinen Schülern. Dann hätte ich dich nicht angerufen und Misses ‚Chris, hast du mal Feuer?‘ hätte nicht nach dir suchen müssen.“

„Scheiße Emmy, jetzt mach aber mal nen Punkt. Ich weiß seit vier Tagen nicht, wo du bist und mit wem du dich rumtreibst. Ich hab permanent Kopfkino und male mir aus, was du gerade alles mit einem deiner alten Freunde tun KÖNNTEST. Meinst du, das ist geil? Ich hab die Einladung von meinen Schülern nur angenommen, um mal auf andere Gedanken zu kommen und mir nicht den dritten ‚Emilia treibt’s mit ihrem Ex‘-Horrorfilm reinzuziehen.“

„Sag mal, hörst du dir eigentlich auch mal selber zu? Ich treibt es hier mit niemandem und das sollte dir klar sein. Weißt du was? Es war ein Fehler, dich anzurufen. Ich wünsch dir noch einen schönen Abend mit deinen SCHÜLERN.“

Ohne Christoph die Möglichkeit einer Antwort zu geben, lege ich auf. Ich weiß, dass ich ihm gerade unterstellt habe, fremdzugehen und gleichzeitig fast explodiert wäre, weil er Angst hat, ich könnte ihn betrügen. Emmy-Logik at its best. Mit Tränen in den Augen fange ich an, eine „Es tut mir leid, das war dumm“-Nachricht zu tippen. Dann höre ich plötzlich wieder die Frauenstimme, die nach Feuer fragt, in meinem Kopf, stelle mir eine übertrieben gut aussehende Blondine mit vollen roten Lippen und betörendem Augenaufschlag vor und knalle das Handy in die Kissen auf der Hollywoodschaukel.

Ich atme durch und greife nach meinem Glas. Augenblicklich wünsche ich mir, die klare Flüssigkeit wäre ein starker Gin Tonic und kein Leitungswasser. Mein Gehirn fängt an, auf Hochtouren zu arbeiten und zu überlegen, wo ich jetzt ein solches Getränk beziehungsweise seine Bestandteile herkriegen könnte. Nach knapp dreißig ergebnislosen Sekunden beschließe ich, dass es besser ist, dem Alkohol gegenüber etwas toleranter zu sein und mich im Bungalow nach einer Alternative zum Gin Tonic umzuschauen.


Ich gehe in unsere Unterkunft, in der es unglaublich stickig und auch schon erstaunlich dunkel ist. Ich schaue mich um und sehe, dass irgendjemand die Vorhänge zugezogen hat. Das einzige Licht kommt aus dem Wohnzimmer, wo Caro und Joshua scheinbar fernsehen. Ich höre die beiden in unregelmäßigen Abständen kichern. Ob Jona auch dabei ist und ich mich dazusetzen sollte?

Gemeinschaftliches irgendwas und so?

Doch dann erinnere ich mich an den Streit mit Christoph und mein akutes Bedürfnis nach einem alkoholischen Getränk und beschließe, die Küche und nicht das Wohnzimmer anzusteuern.

Auch dort erkenne ich eine schwache Lichtquelle, denn Jona steckt gerade seinen Kopf in den Kühlschrank. Als er aufschaut und mich sieht, fragt er nur: „Bier?“ Ich nicke stumm, er greift zielsicher nach zwei grünen Flaschen und wir gehen ohne ein weiteres Wort nach draußen.

Wir sitzen stumm nebeneinander und starren geradeaus in Richtung Meer. Die Hollywoodschaukel quietscht bei jedem Schwung und lullt uns im Takt der Monotonie ein. Nach Minuten, die sich wie Stunden anfühlen, sagt Jona plötzlich in die Stille: „Ich habe euch streiten gehört. Klang übel.“ Und dann nach einer weiteren, etwas zu langen Pause: „Wenn er dich wirklich betrügt, dann ist er das dämlichste Arschloch auf Erden.“

Noch nie habe ich jemanden so schlecht über Christoph reden hören. Auch wenn Jonas Aussage rein spekulativ war (War sie das?), klang sie doch wahnsinnig hart und absolut. Wie ein Peitschenschlag, von dem man denkt: „Der hat aber gesessen!“

Ich überlege, was ich antworten soll. Mehrmals öffne ich den Mund, nur um ihn unverrichteter Dinge wieder zu schließen. Muss aussehen wie ein Fisch. Dieser Gedanke lässt mich unweigerlich grinsen, was wiederum dazu führt, dass mich Jona fragend ansieht.

Um der Situation zu entkommen, schlage ich einen abrupten Richtungswechsel an. „Weißt du noch, damals als wir zum ersten Mal hier oben waren und uns darüber gestritten haben, was nördlich von Rügen liegt?“ Mein Grinsen wird stärker, nicht weil ich immer noch an Fische denke, sondern an diesen Moment in unserer Jugend, der so unendlich weit entfernt liegt. Jona hat nun auch ein Lächeln auf dem Gesicht und erinnert sich zaghaft: „Du warst der felsenfesten Meinung, es wäre Polen und ich habe gesagt, nördlich von Rügen liegt…?“

„Dänemark! Du sagtest, es wäre Dänemark.“

„Wir haben uns richtig gefetzt deswegen, keiner wollte nachgeben.“

„Dabei hatte keiner von uns beiden Recht.“

„Es ist Schweden.“ Bei diesen drei Worten schaut mir Jona zum ersten Mal seit dem Beginn unseres Gesprächs direkt in die Augen. So als wolle er mir noch mehr sagen als nur das.

„Schweden.“, wiederhole ich gedankenverloren und ein bisschen so, als würde ich anzweifeln, dass es dieses Land überhaupt gibt. Dann kommt mir ein neuer, völlig irrationaler Gedanke in den Sinn: „Was, wenn wir jetzt losschwimmen würden. Immer weiter hoch nach Norden. Wann würden wir in Schweden ankommen? Heute Nacht noch? Oder morgen früh?“

„Gar nicht, weil wir ertrinken oder erfrieren würden. Je nach dem, was dir persönlich lieber ist. Ich würde das Ertrinken bevorzugen. Erfrieren soll ziemlich schmerzhaft sein und sich lang hinziehen.“ Ich schaue Jona mit gespielt entrüstetem Blick an. „Mensch, tu doch wenigstens mal so. Spiel doch mal mit. Es ist doch nur so ein Gedanke. Ein hypothetischer.“

„Du willst rein hypothetisch nach Schweden schwimmen?“

„Nein, ich will wissen, wie lang das rein hypothetisch dauern würde. Das ist etwas vollkommen anderes.“ Obwohl es inzwischen dämmert, sehe ich, wie Jona mit den Augen rollt. Gnädigerweise nippt er gleichzeitig an seinem Bier, sodass ich ihm keine verbale Stellungnahme abverlangen kann. Cleveres Bürschchen. Scheint Erfahrungen im Umgang mit emotional labilen Frauen zu haben – zumindest hypothetisch.

Die ständige Wiederholung dieses Wortes amüsiert mich plötzlich. Ich kann nicht länger an mir halten und fange an, zu lachen. Für Jona muss es aussehen, als würde ich völlig ohne Grund die Fassung verlieren. Wahrscheinlich denkt er jetzt, dass neben ihm auf der Hollywoodschaukel eine Grenzdebile sitzt. Oder ein Mensch mit erstaunlich viel Lebensfreude. Nein, dafür kennt mich Jona zu gut. Wenn, dann geht er von Möglichkeit Nummer eins aus und hält mich für verrückt. Wahrscheinlich um mich nicht wie den letzten Volldeppen dastehen zu lassen, vielleicht aber auch, weil er es wirklich ehrlich meint, lacht Jona einfach mit. Und für einen Moment liebe ich ihn dafür. Nicht wie einen Verflossenen, sondern wie einen guten alten Freund. Denn genau das ist er.

Als wir schließlich wieder aufhören zu lachen, seufzen wir beide – so als wäre es mal wieder bitter nötig gewesen, alles loszulassen und was total „Verrücktes“ zu machen. Wir schauen uns an und stellen fest, dass keiner genau weiß, warum der andere überhaupt so gelacht hat. Ist auch egal, beschließen wir stillschweigend und weil ich das Gefühl habe, dass ich es tun muss, führe ich das Gespräch an der Stelle fort, an der es aus dem Ruder gelaufen ist.

„Christoph ist kein Arschloch.“ Die Aussage klingt in meinen Ohren überzeugt, aber ist sie auch für Jona überzeugend? Er schaut mich an, mustert mich fast schon, so, als wolle er überprüfen, ob ich auch wirklich nicht lüge. „ Dann ist ja gut.“, ist seine kurze knappe Antwort, die die Unterhaltung genauso plötzlich beendet, wie sie begonnen wurde.

Danach üben wir uns wieder in Schweigen. Ist so etwas wie unser persönlicher Zwei-Personen-Volkssport geworden. Aber überraschenderweise ist es kein unangenehmes Schweigen, sondern eines, bei dem man sich wohlfühlt. In das man sich hinein kuscheln will und das am liebsten bis in alle Ewigkeiten andauern kann. Weil es einem Sicherheit gibt. Die Sicherheit, dass alles gut ist. Denn solang es nichts zu sagen gibt, bedeutet das, dass alles nach Plan läuft, dass man nichts beanstanden oder den anderen auf etwas hinweisen muss.

Ich genieße das Schweigen und ich genieße es, dass Jona neben mir sitzt. Zum ersten Mal seit dem Beginn unserer Reise sehe, höre und rieche ich ihn nicht nur, ich kann ihn auch spüren. Wie ferngesteuert schließe ich meine Augen. Ich will ihn nicht nur ein bisschen spüren, ich will, dass diese zögerliche Vermutung zur Gewissheit wird.

Und so sitzen wir zwei auf einer Hollywood-Schaukel vor einem alten DDR-Bungalow auf Rügen. In unseren Händen zwei Flaschen Bier, über uns Schweden und um uns herum die Nacht, die sich ohne einen Mucks angeschlichen und uns trotzdem nicht überrumpelt hat.


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