Ich bin kein großer Fan dieser „Sei die beste Version deiner selbst“-Gurus, die ihre toxic positivity-Parolen meist ungefragt in die Social Media-Welt posaunen und fast schon gebetsmühlenartig darauf beharren, dass du ja „nur ganz fest an dich selbst glauben musst“ und dann (wie auch immer) „all deine Wünsche wahr werden“.
Hoffentlich Sicherlich ist dir genauso klar wie mir: Das ist riesengroßer Bullshit. Wer etwas – oder sich selbst – verändern will, der muss aktiv werden. Und mit „aktiv werden“ meine ich nicht „Zünde dir eine Duftkerze an, schließe die Augen und stell dir vor, wie dein Leben in fünf Jahren sein soll“, sondern (entsprechend der Kapazitäten, die dir zur Verfügung stehen) „Ersetz‘ die blöde Duftkerze durch Stift und Papier und mach dir verdammt nochmal Gedanken darüber, welche Schritte du konkret gehen musst, um dein Ziel zu erreichen!“. (Du merkst vielleicht schon an dieser Stelle, dass das Thema für mich emotional ziemlich beladen ist, hehe…)
Dass wir gerade (also im Frühjahr 2021) in einer ganz besonderen Zeit leben, die ganz besondere Dinge mit uns macht und ganz besondere Gedanken in uns aufkeimen lässt, muss ich an dieser Stelle nicht nochmal groß besprechen. Fakt ist: Gerade ist so ziemlich alles anders als sonst – und irgendwie finde ich das nicht ausschließlich schlecht. Denn seit ein paar Tagen keimt in mir der immer größer werdende Wunsch, ein paar Dinge in meinem Leben zu ändern.
Nichts Weltbewegendes, aber eben auch keine Kleinigkeiten. Nichts, was unmöglich erscheint, aber trotzdem herausfordernd genug, um mir erst einmal ernsthafte Gedanken über mein Vorgehen zu machen.
Der Status quo: So kann‘s nicht weitergehen
Aktuell beschäftigen mich drei ganz konkrete Baustellen:
- mein exorbitant hoher Serien-Konsum (wir sprechen hier von rund drei Stunden am Tag!)
- mein „Verhältnis“ zu Zucker und die Auswirkungen von ebendiesem auf meine Gesundheit
- meine GABE, größere und darum nervige Aufgaben eeeeeewig vor mir herzuschieben
Alle drei Punkte haben mich in den letzten Wochen so extrem gestresst, dass ich fast zeitgleich entschieden habe: Das geht so nicht weiter. Ob das nun an Miss Rona, der Fastenzeit oder was auch immer liegt, ist mir dabei zunächst erst einmal egal. Wichtig ist, dass ich zu einer wichtigen Erkenntnis kam – der Erkenntnis: Mir tut das nicht (mehr) gut – ich muss etwas ändern.
Nun ist das mit diesen „Erleuchtungen“ ja immer so eine Sache. Im ersten Moment fällt dir ein tonnenschwerer Hinkelstein vom Herzen, mit dem selbst Obelix seine liebe Not gehabt hätte und im zweiten stellst du fast schon ein bisschen panisch fest „Fuck! Veränderung! Das könnte anstrengend werden.“
Vom Pläne schmieden und Luftschlösser einreißen
Ich selbst gehöre zu den Menschen, die wahnsinnig gern Pläne schmieden und Luftschlösser bauen – nur um kurz darauf die Abrissbirne zu schwingen und alles wieder einzureißen. An dieser Stelle ein Geständnis: Ich mag Veränderungen nicht sonderlich, finde sie anstrengend und oftmals überfordernd. Darum bleibt es leider allzu oft bei den Plänen. Is blöd, merk ich selber…
Noch blöder ist eigentlich nur noch, dass ich selbst ganz genau weiß, wie wichtig Veränderungen sind, um sich weiterzuentwickeln. Um besser zu werden. Um voranzukommen. Ich weiß: Wenn ich nichts an meinem Verhalten ändere, dann darf ich mich auch nicht über die negativen Effekte meiner Entscheidung ärgern. Diese nüchterne Erkenntnis führte jüngst dazu, dass ich reinen Tisch mit mir selbst gemacht und entschieden habe: Jetzt aber wirklich – krieg‘ deinen Kram endlich mal auf die Ketten!
Zu sagen, ich hätte finally den ultimativen Masterplan entwickelt, mit dessen Hilfe sich nun all meine Probleme in Luft auflösen, wäre glatt gelogen. Ich möchte an dieser Stelle jedoch nicht ohne Stolz verkünden, zumindest so etwas wie ein „Plänchen“ zu haben, das mich bei meinen Vorhaben unterstützt. Nichts von alldem, was ich nun schreibe, ist empirisch belegt, nichts in einem Langzeit-Versuch auf Herz und Nieren getestet worden.
Aber vielleicht hilft es dir ja trotzdem bei deinem eigenen Vorhaben…
Schritt #1: Babysteps machen
Nicht alles mit einmal zu können/wissen/haben/erreichen ist etwas, womit ich mich schwer tue. Ich bin ein leidenschaftlicher Mensch, der sich schnell für bestimmte Dinge und Themen begeistern kann. Auf die Feuer-und-Flamme-Phase folgt jedoch meist prompt die Ernüchterung: Ein Vorhaben von jetzt auf gleich zu 100 % realisieren zu können, ist schlichtweg eine Illusion – eine sehr enttäuschende obendrauf.
Um mich zukünftig vor genau dieser Enttäuschung (und der damit unweigerlich verbundenen Demotivation) zu schützen, habe ich entschieden, nur noch Babysteps zu machen. Die Devise: Viele kleine Schritte bringen mich am Ende zuverlässiger an mein Ziel als ein riesengroßer.
Ein „ganz netter“ (aka. megageiler) Nebeneffekt dieser Taktik: Ein scheinbar völlig unrealistisches Mammutprojekt, an das ich mich aus Furcht zu scheitern bisher nicht herangetraut habe, wird plötzlich viel verdaulicher. (Im Fachjargon spricht man tatsächlich auch von „slice the elephant“ – Zerlege den Elefanten.)
Bezogen auf meine drei „Baustellen“ wende ich das „Babysteps-Prinzip“ (haha, klingt fast so, als wäre das meine geniale Erfindung) folgendermaßen an:
- Ich gestatte mir, jeden Abend eine Serien-Folge anzuschauen (was ich bisher aber nur ein einziges Mal getan habe!) – auf diese Weise vermeide ich einen „kalten“ Entzug
- Ich beginne damit, mich erst einmal über Zucker, Zuckerkonsum, Zuckeralternativen etc. zu informieren und versuche, soweit es mich nicht völlig überfordert, hier und da auf Industriezucker zu verzichten
- Ich zerlege zwei größere Projekte, die ich seit Monaten vor mir her schiebe, in konkrete Teilaufgaben und verteile diese über die kommenden Wochen (wodurch ich bis Ende März hoffentlich beide Projekte vom Tisch habe)
Schritt #2: Erwartungen runterschrauben
Erwähnte ich schon, dass ich ein leidenschaftlicher Mensch bin? Mit dieser Eigenschaft eng verbunden ist mein Hang hin zu hohen Erwartungen. Wenn ich mir etwas vorgenommen habe, dann möchte ich es nicht nur augenblicklich umsetzen, ich erhoffe mir auch s o f o r t i g e Effekte, Erleuchtungen, Ergebnisse. Das klingt nicht nur anstrengend, das ist es auch, glaube mir!
Damit meine Vorhaben auch in diesem Fall nicht von meiner persönlichen Enttäuschung torpediert werden, habe ich mir selbst auferlegt, meine Erwartungen drastisch nach unten zu schrauben.
Das bedeutet vor allem: Bye bye, Perfektionsdruck!
Insbesondere beim Zucker-Projekt hilft mir dieser Schritt im hohen Maße. Denn anstatt mich fertig zu machen, weil ich nach dem Mittagessen doch nicht dem Schokoladen-Stückchen widerstehen konnte, freue ich mich darüber, dass es bei dem einen geblieben ist und ich statt Marmelade Frischkäse auf mein Frühstücksbrot geschmiert habe.
Schritt #3: Mehrwert verdeutlichen
Falls du dich fragst, warum es mir so ein großes Bedürfnis ist, meinen Serien-Konsum so drastisch zu minimieren, dann lass es mich dir kurz erklären:
In den vergangenen Wochen, die für uns alle zweifelsfrei extrem stressig und nervenaufreibend waren, waren Serien – allen voran Grey‘s Anatomy und This is Us – meine Coping-Strategie Nr. 1. Immer wenn es Arbeit, Kind, Haushalt und alles andere Drumherum zuließen, warf ich mich seufzend auf Sofa und schaltete den Fernseher ein. Das wohlig-warme Gefühl, das meinen Körper augenblicklich durchflutete, war die reinste Wohltat – und sorgte dafür, dass ich viel mehr Folgen guckte, als ich mir eigentlich vorgenommen hatte.
Auch wenn ich all meine Verpflichtungen und Aufgaben nie außer Acht ließ, war mein Serien-Konsum doch so hoch, dass ich schließlich zunehmend das Gefühl hatte, mich selbst zu vernachlässigen. Zwar konnte ich beim Seriengucken hervorragend entspannen, doch wirklich glücklich war ich am Ende eines Binge-Marathons nicht. Ganz im Gegenteil: In mir machte sich immer mehr der Gedanke breit, dass ich hier gerade im ganz großen Stil meine kostbare Zeit verschwende.
Das war der Knackpunkt. Denn wenn ich eines so richtig hasse, dann ist es die Verschwendung meiner Zeit. Ich zog also die Reißleine und verordnete mir selbst einen Serien-Entzug.
In der Zeit, die hierdurch „frei“ wurde – und damit kommen wir zum Thema Mehrwert – mache ich nun so „völlig verrückte Sachen“ wie Bücher lesen, Podcasts hören oder mich um meine anderen beiden Baustellen kümmern. Kurzum: Ich fülle die ursprünglich verschwendete Zeit mit sinnvollen Tätigkeiten – sprich einem Mehrwert – und fühle mich dadurch augenblicklich besser.
Um auch beim Projekt „weniger Zucker“ und meinen privaten Unterfangen am Ball zu bleiben, habe ich mir ebenfalls überlegt, was der konkrete Mehrwert der Aktionen ist. Auf diese Weise habe ich nicht nur ein genaues Ziel vor Augen, sondern bleibe auch langfristig motiviert.
Meine Mehrwerte im Überblick:
- Serien-Entzug → mehr Zeit für „echten“ Input in Form von Büchern, Blogs, Podcasts, Dokus etc.
- weniger Zucker → positiver Effekt auf meine Gesundheit (v.a. meine Haut), bewusstere Auseinandersetzung mit meiner Ernährung, Erweiterung meines Wissens
- persönliche Projekte → endlich vom Tisch, weniger Druck/Stress
Die wahre Kunst: Dranbleiben
Ich weiß, dass ich mit meinen drei Schritten – Babysteps machen, Erwartungen runter schrauben und Mehrwert vor Augen führen – das Rad definitiv nicht neu erfunden habe. Trotzdem bin ich froh über die Erkenntnisse und vor allem die Gewissheit, dass ich es hiermit endlich schaffen kann, am Ball zu bleiben.
Denn sind wir mal ehrlich: Große Pläne sind meist schnell geschmiedet. Die wahre Kunst besteht doch letztlich darin, dafür zu sorgen, dass sie sich nicht in kurzer Zeit schon wieder in Luft auflösen.